Ernst ist das Leben, heiter die Kunst

dies stammt aus dem Prolog zu Wallenstein von Friedrich von Schiller. Von ihm stammt ebenfalls "... und er (der Mensch) ist nur da ganz Mensch, wo er spielt".

Seit einiger Zeit stricke ich wieder. Diese zum Teil recht gleichförmige Tätigkeit erlaubt es den Gedanken spazieren zu gehen, während die Hände aus dem "Nichts" von Wolle und Nadeln Gebilde unterschiedlicher Handwerkskunst entstehen lassen. Bis zu einer ironischen Reflektion des eigenen Tuns - des Strickens - ist es dann nicht mehr weit. Ein Ausstellungsaufruf der Neuen Künstlerkolonie Brannenburg mit den Titel "Fabelhaftes" tat ihr übriges und das lustvolle Spiel mit Wolle und Worten begann.

Da ich bereits einige Erfahrung mit der japanischen Handarbeitstechnik Amigurumi habe, stand schnell fest, dass es eine plastische Arbeit aus Wolle - eben ein Wollpertinger - werden musste. Und dass das Ganze dann in eine museumsartige Installation mit Schaukasten und wortreicher Erklärung im getragenen Stil von Brehms Tierleben münden würde, ergab sich ebenfalls unmittelbar. Einmal begonnen, wurde das Wollpern ein Selbstläufer und sowohl das Häkeln des Wollpertingerweibchens wie auch das Abfasssen des Textes war reines Vergnügen und Spiel.

Da die Ausstellung auch von vielen Wollsüchtigen besucht wurde, gab es reichlich Anlass zur Heiterkeit und der Wollpertinger fand schnell ein neues Zuhause in einem handarbeitsaffinen Haushalt und erhielt den wunderbaren Namen Pia Josefine.

In heimischen Gefilden

In der Ausstellung

Der Text des Exponats



Inntal-Wollpertinger

Wolperus lanatus valli Aeni vivus


Systematik

Klasse:
Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse:
Ursäuger (Protheria)
Ordnung:
Wolperartige
Familie:
Wolpertinger
Art:
Inntal-Wollpertinger
(Wolperus lanatus valli Aeni vivus)

Bei dem ausgestellten Exemplar handelt es sich um eines der wenigen erhaschten Tiere.

Körperbau:

Über den Körperbau der Wollpertinger ist wenig bekannt, da die Tiere sehr scheu sind und sich meist in Wolliges hüllen (siehe Lebensweise). Ihre Größe variiert zwischen der eines Eichhörnchens und eines Hasen. Die meisten weisen einen Schwanz und ein Geweih auf. Das Weibchen legt im Winter zur Wollhochsaison ein bis drei Eier und säugt nach dem Schlüpfen die Jungen. Diese sind mit Beginn des Sommers ausgewachsen.

Verbreitung:

Wollpertinger leben ausschließlich im bayrischen Oberland und dort gerne in der Nähe von Wolllieferanten. Meist sind dies Schafe. Es wurden allerdings auch schon Wollpertinger auf Alpakaweiden und Ziegenkoppeln beobachtet. Vereinzelt sieht man sie auch in den Ställen von Angorahasen, wo sie diese ganz entsetzlich quälen, was sehr zu verurteilen ist.

Ernährung:

Bis heute ist nicht so recht bekannt, wovon sich Wollpertinger ernähren. Offensichtlich kommen sie mit den verschiedensten Nahrungsmitteln gut zurecht. Ihre ausgeprägten Zähne deuten auf Jagdverhalten hin, jedoch sind auch vereinzelt Exemplare beim Eierraub beobachtet worden und Obstbauern berichten von Wollpertingern in Kirschbäumen. Unachtsame Wanderer sollen sie auch schon um ihre Brotzeit gebracht haben, wobei sie dann geschickt den Verdacht auf mitgeführte Hunde lenken. In Biergärten werfen sie geschickt blitzschnell Krüge um, um dann unter dem Tisch dem Bier zuzusprechen. Deshalb wird bei ungeklärtem Fehlen von Nahrungsmittel gerne gesagt: „Des muss a Wollpi gwesen sein.“

Lebensweise:

Die Wollpertinger schlüpfen als kleine, unattraktive Wesen einem Nacktmull nicht unähnlich. Die weiblichen Exemplare stibitzen ihrem Namen entsprechend gerne Wolliges und verstehen es durch geschickten Umgang mit Handarbeitsutensilien ihre Blöße zu bedecken und sich ein attraktives Äußeres zu geben. Nur wenige Männchen beherrschen diese Nadelarbeit. Die ungeschickten anderen Männchen verbergen sich nackt, frierend und gschamig in Höhlen und erschrecken lediglich zur ganzjährigen Paarungszeit die Weibchen.

Die weiblichen Wollpertinger schließen sich zu geselligen Rudeln zusammen, wo sie die Wollarbeit pflegen und die Jungen anlernen. Diese Tätigkeit wird wollen genannt und findet in Wollnestern statt. Nach anfänglich großer Geduld beim Vorführen des Wollens werden mit Eintritt in das Erwachsenenleben ungeschickte Woller aus der Gruppe verstoßen, so dass sie fortan ein einsames Leben führen müssen. Meist sind dies heranwachsende Männchen. Manchen gelingt es allerdings ein Weibchen für sich zu entflammen, das das Männchen dann fortan bestrickt. Es wurde auch schon beobachtet, wie verzweifelte frierende männliche Exemplare unbeaufsichtigte Wollnester geplündert haben.

Offensichtlich finden die weiblichen Exemplare große Freude am Wollen und arbeiten für sich und ihre Jungen Overalls – einem Fell nicht unähnlich. Gerne tauschen sie sich auch bei der Fellpflege aus und wechseln häufig ihre Erscheinungsform. Zur Brutpflege ist es unerlässlich, zum Schutz für die Eier einen wärmenden Überzug zu fertigen. Nach dem Schlüpfen der Jungen kann man gelegentlich im Wald Reste der Eierwollwärmer finden. Gelegentlich werden auch verzweifelte Wollpertinger beobachtet, die halbfertige Wollsachen verwüsten und nur ein Knäuel lockiger Wolle zurück lassen. Diese werden von den anderen sehr gefürchtet.

Abschließend ist zu bemerken, dass es sich bei den Wollpertingern um ausgesprochen hübsche, genügsame und possierliche Viecherl handelt, die meist keinen Schaden anrichten und auf geniale Weise dem bayrischen Klima trotzen.


Spezielle Ausprägungen:


Der Barbie-Wollpertinger: hat eine Vorliebe für Bonbonfarben und Glitzer

Der gemeine Wollpertinger: verwendet Angorawolle

Der Exotik-Wollpertinger: hat sich auf Wolle von schwer zugänglichen Tierarten spezialisiert

Der Zöpfl-Wollpertinger: hat eine Vorliebe für traditionelle Muster und Mundartdichtung

Der Sockpertinger: hat sich auf die Herstellung von Socken spezialisiert und fertigt diese im Akkord

Der Double face Wollpertinger: beherrscht komplexe mehrfarbige Muster und findet allenthalben Anerkennung

Der Spar-Wollpertinger: fertigt nur Sachen ab Nadelstärke 8 an und spart sich so viel Arbeit

Der Oma-Wollpertinger: hat einen Hang zu niedlichen Kleinformaten

Der Edel-Wollpertinger: verwendet Seide und wundert sich, dass sein Fell immer größer wird

Der freeform-Wollpertinger: fertigt aus verachteten Wollresten die schönsten Sachen

Das Ribbelmonster: verfügt über sehr gute Augen, entdeckt jeden Fehler und frustriert die anderen

Der Exakt-Wollpertinger: begegnet oft dem Ribbelmonster und macht‘s dann nochmal.

Der Katastophen-Wollpertinger: schneidet mutig einen Steek auf und muss mit den Konsequenzen leben.

Der Flutsch-Wollpertinger: lässt oft Maschen fallen und ist dann verzweifelt

Der Oisisi-Wollpertinger: schaut einmal hin und weiß dann wie’s geht